Museum der Fotografie, Görlitz

Der lange Ausstellungssaal im Fotomuseum Görlitz

Autor: Michael Guggenheimer

Löbauer Strasse 7 in Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands an der Neisse. Ein Haus in einem der Gründerzeitviertel der Stadt, so heissen in Deutschland Stadtquartiere aus der Jahrhundertwende um 1900. Eine streng einheitliche und sehr urbane Architektur. Zwar besuchen die meisten Touristen Görlitz wegen der Altstadt und ihren renovierten Bauten. Die Gründerzeitviertel sind aber nicht minder besuchswert. «Museum der Fotografie» steht auf einer langen Werbefahne, die an der Hausfassade angebracht ist. Wer von der gegenüberliegenden Häuserfront das Haus anschaut, staunt: Drei Büsten sind an der Fassade angebracht, drei streng dreinblickende Herren. Talbot, Daguerre, Nièpce steht in Grossbuchstaben unter den Köpfen, es sind die Väter der Fotografie. Weshalb die Büsten von zwei Franzosen und dem Engländer Talbot hier sind? Über der Einfahrt zum Hinterhof steht «Herbst & Firl Fabrik photographischer Apparate». Und in der Einfahrt ist an der einen Wand das Firmenlogo der Firma gross angebracht: «Central Magazin. Für Photographen-Bedarf. Ernst Herbst & Firl. Goerlitz» steht da.

Görlitz war einst Sitz mehrerer bedeutender Kamerawerke. Und in eben dieser Liegenschaft wurden Fotoapparate hergestellt. An der Löbauer Strasse 7 befanden sich die Büros des Unternehmens, in der Hofliegenschaft wurden Kameras und Objektive hergestellt. Heute ist im Haus mit den drei Büsten ein kleines Fotoapparatemuseum eingerichtet, in dem in einer etwas dicht gedrängten Präsentation analoge Apparate ostdeutscher Marken zu sehen sind. Die Präsentation ist etwas altmodisch geraten. Aber die ausgestellten Apparate lassen das Herz von Freunden der Analogfotografie höher schlagen. Hat man sich an diesen Kameras sattgesehen, begleitet einen der Mann am Empfang zur Hofliegenschaft, wo sich im ersten Stockwerk ein langer und heller Ausstellungsraum befindet. Wunderbar dieser Raum mit seinen rötlichen Backsteinmauern, in dem ganz lange Fotogeschichten Platz finden können. «Streifzüge» heisst die Ausstellung im Sommer und Herbst 2021. Der polnische Fotograf Jacek Jasko zeigt drei Bilderzyklen vom Riesengebirge und vom Isergebirge in Schwarz-Weiss. Deutlich ist auf den Bildern der Wandel des Dorfes Kopaniec zu sehen. Analog aufgenommene Bilder sind da zu sehen. Und erstaunlich ist die Qualität einer langen Serie von Fotos, der Fotograf Jasko mit seinem Smartphone aufgenommen hat.

Hans Peil, Vorsitzender des Trägervereins des Museums der Fotografie Görlitz, pendelt zwischen seinen zwei Wohnsitzen Berlin und Görlitz. Er erzählt: «1994 habe ich das Haus gekauft. In der Folge habe ich mich intensiv mit der Geschichte des Hauses und der optischen Industrie in Görlitz befasst. Daraus resultierte ein Konzept für ein Museum, für das zunächst kein Interesse in der Stadt oder bei deren Kulturverwaltung geweckt werden konnte. Ende 1999 lernte ich den Sammler Werner Umstätter in Berlin kennen. Wir vereinbarten einen neuen Versuch indem wir zu einer Versammlung einluden, an der wir die Gründung einer „Gesellschaft für das Museum der Fotografie“ vorschlugen. Werner Umstätter zeigte auf dieser Versammlung zur Anregung Objekte aus seiner Fotografica Sammlung. In der Folge erschienen Zeitungsartikel und es kam zur Gründung des Vereins. Umstätter stellte Objekte aus seiner Sammlung für eine erste Ausstellung zur Verfügung».

Die erste Fotoausstellung im Fabrikgebäude im Hof fand 2004 mit Bildern von Robert Lebeck statt. Diese Ausstellung wurde durch die Zeitschrift „Stern“ unterstützt, bei der Lebeck einer der maßgeblichen Fotoreporter war. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt noch eine Ruine Dazu Museumsgründer Peil: «Die erste Etage konnten wir mit Hilfe von Arbeitskräften des Arbeitsamtes für die Ausstellung provisorisch herrichten. Sie war ein großer Erfolg und der Beginn von Ausstellungen mit namhaften Fotografen. Dies war und ist nur möglich durch deren großzügige, unentgeltliche Hergabe der Exponate». Und ohne den freiwilligen Einsatz der pensionierten Museumsbetreuer wäre auch der Museumsbetrieb nicht denkbar. Das Museum finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge, Eintrittsgelder und gelegentliche Spenden. Das Budget bewegt sich im unteren dreistelligen Bereich und deckt nicht mehr als die Heiz- und Elektrokosten. Die öffentliche Hand, so sagen Vereinsmitglieder, sei leider desinteressiert.

Schade. Denn die Geschichte der fotografischen Industrie in Görlitz ist spannend. Und Fotografie und Fotomuseen erfreuen sich heute grosser Beliebtheit. Ein 250 Seiten umfassender Text- und Bildband mit dem Titel «Fotografen, Kamerahersteller und Meyer-Optik sowie der VEB Feinoptisches Werk Görlitz 1843-1991» von Rainer Appelt erzählt wunderbare Geschichten zur Fotografiegeschichte. Und der grosse Ausstellungsraum mit seinem Oberlicht im ersten Stockwerk im ehemaligen Fabrikationsbau könnte ein vielbesuchter Ausstellungsort sein. Seine Eignung als idealer Ausstellungsraum für Bilder steht ausser Zweifel. Etwas sperriger wirkt der zweite Ausstellungsraum im zweiten Stock. Aber auch er liesse sich anders einrichten. Seitdem das bundeseigene Schlesische Museum zu Görlitz eine erste Gastausstellung in Kooperation mit und im Museum der Fotografie durchgeführt hat, werben Plakate an vielen Orten in der Stadt für den etwas vergessenen Bilderort an der Löbauer Strasse.

Das Fotomuseum Görlitz Tim Gründerzeitviertel

Mit der Ausstellung von Fotografien von Jacek Jasko aus dem polnischen Jelenia Gora eröffnete das Schlesische Museum seinen Zyklus «Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst aus Schlesien». «Immer mehr Künstlerinnen und Künstler verlassen die grossen urbanen Zentren und suchen verstärkt nach neuen Räumen du neuen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten ausserhalb der Metropolen», heisst es im Ausstellungskatalog. Das trifft auch für Görlitz zu, wo sich in letzter Zeit jüngere Künstlerinnen und Künstler angesiedelt haben. Das Museum der Fotografie könnte ein Ort sein, an dem junge Fotografinnen und Fotografen ihre Arbeiten zeigen könnten. Hier könnten auch Workshops in analoger Fotografie stattfinden, die heute wieder unter den jüngeren Fotografen beliebt ist. Nur müsste sich die Stadt für den Museumsbetrieb interessieren und engagieren. Und der Trägerverein, der eine Verjüngung der Mitgliederstruktur bräuchte, müsste eine grössere Öffnung für jurierte Ausstellungen und mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben, wozu ihm allerdings ohne öffentliche Mittel die Hände noch gebunden sind. «Es wäre schön», sagt Museumsgründer Peil, »wenn sich die öffentliche Hand mehr für das Museum interessieren würde. Selbst minimalste Unterstützung findet nicht statt. So hätte z.B. heuer das Fotofestival im Rahmen des Lausitzfestivals zumindest werbliche Einbindung erfahren können».

Eingeworfen am 21.1.2024

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