Neu aufgerollt: Dalmans Palästinabilder

Vor 120 Jahren fotografierte der Palästinakundler Gustaf Dalman zwischen Aleppo und Alexandria. 2020 wurden die Original-Negative seiner Aufnahmen wiedergefunden. 

Gustaf Dalman (1855 bis 1941) war ein protestantischer Theologe und Anhänger der „Judenmission“, der es gerne gehabt hätte, wenn Juden sich zum Christentum bekehren lassen würden. Sein starkes Interesse an der Bibel, speziell am Alten Testament, führte ihn nach Palästina, wo er in den Jahren 1902 bis 1917 der erste Direktor des „Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes“ in Jerusalem wurde.  

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hielt sich Dalman gerade in Deutschland auf und konnte nicht mehr in das Britische Mandatsgebiet Palästina an seine Wirkungsstätte Er wurde Professor für Altes Testament und Palästinawissenschaft an der Universität Greifswald, wo er 1920 das „Institut für biblische Landes- und Altertumskunde“ gründete. Im Institut, das heute schlicht Gustaf-Dalman-Institut heisst, hat sich mit den Jahren eine grosse Sammlung von Forschungsarbeiten und Publikationen zu Palästina angesammelt. Rund 20.000 Fotografien – Diapositive, Negative, Drucke, Papierabzüge und zahlreiche Luftaufnahmen – dokumentieren auf einzigartige Weise die Kulturlandschaft Palästina vor dem Ersten Weltkrieg. Die Aufnahmen stammen von den Mitgliedern der American Colony, vom Leipziger Kunstverlag Bruno Hentschel, vom arabischen Fotografen Chalil Raad, von Gustaf Dalman oder seinen Stipendiaten. In der Greifswalder Institutsbibliothek bündelt die Palästina-Abteilung landeskundliche Themen wie Geschichte, Kultur, Geologie, Naturkunde, Recht und religiösen Volksbrauch. Ebenso finden sich Erzählungen, Lieder sowie Ausgrabungs- und Reiseberichte vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Die Judaica-Abteilung des Gustaf-Dalman-Instituts umfasst Bibel-, Talmud- und Midrasch-Ausgaben, darunter auch seltene Erstdrucke aus dem 16. Jahrhundert.

Neben seinem grossen Interesse für das Judentum, für das Alte Testament und für Palästina wandte sich der Theologe Gustaf Dalman früh der Fotografie zu. Bei der Suche nach Unterlagen über Dalmans Arbeiten stiessen Forscher vor zwei Jahren auf Hunderte von unbearbeiteten Fotonegativen, die Dalman in Palästina gemacht hat. Das Besondere an diesen lange vergessenen Negativen ist, dass es sich bei ihnen nicht um Glasplatten handelt. Dalman entschied sich schon früh für Plan-und Rollfilme, arbeitete mit kleinen Kameras und konnte angesichts des geringen Gewichts seiner Kamera schneller mehr Bilder herstellen. Studierende der Restaurierung, Museumskunde und Theologie, Mitarbeiterinnen der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin sowie der Karl-Franzens-Universität in Graz und der Uni Greifswald haben den Staub, der sich auf den Negativen mit den Jahren gesetzt hat, entfernt, die bedrohten Bilddokumente restauriert und digitalisiert. In einer Wanderausstellung, in einer kleinen Begleitbroschüre sowie im Netz kann man Einblicke in Palästina der ersten zwanzig Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten. Dabei fällt auf, dass Dalmans Interesse den Landschaften, der Architektur und bei den Menschen insbesondere den arabischen Bewohnern Palästinas  galt. Die jüdische Bevölkerung des Landes ist in seinen Bildern weniger anzutreffen. Im Rahmen der Wanderausstellung kann man zudem anhand von Videos einen Einblick in die Tätigkeit der Restauratorinnen erhalten. 

Bücher von Gustav Dalman über Palästina

Gustaf Dalman ist auf den Fotos immer wieder auch zu sehen, wie er im Anzug, mit Tropenhelm und Schirm unterwegs ist. Seine Fotografien ergänzte Dalman um Zeichnungen und Notizen, die er später zu Texte zusammenfügte. Schön die Beschreibungen der einzelnen Bilder in der Ausstellungsbroschüre: Sie sind mehr als kurze Bildlegenden und erzählen die Beobachtungen der MitarbeiterInnen des Dalman-Instituts sowie Beschreibungen der Arbeiten an den Negativen. Spannend im Vergleich zu heute sind Dalmans Bilder von den Gassen der Jerusalemer Altstadt, des Strands vor Jaffa oder der Landschaften Galiläas. „Mit dem modernen Judentum tat er sich schwer“, heisst es in der Begleitpublikation. „Zum einen fürchtete er, der Zionismus würde die historische Kulturlandschaft Palästina zu stark verändern. Zum anderen war er auch als ‚Judenmissionar’ unterwegs. Nach seiner festen Überzeugung, lag das Heil allein im Christentum“. 

Die Begleitbroschüre zur Ausstellung bekommen Sie unter diesem Link

Eingeworfen am 13.10.2021

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