Ingmar Björn Nolting erkundet Corona

Zwei Seiten aus dem ZEIT Magazin mit Fotos von Ingmar Björn Nolting

Autor: Michael Guggenheimer

Corona ist tödlich, macht krank, nervt. Corona lässt aber, gerade in der Zeit, da Theater und Kinos, Museen und Konzerthallen geschlossen sind, kreative Kräfte blühen. Da schreiben Schriftstellerinnen Corona-Tagebücher, erscheinen Corona-Ezählungen, entstehen Sammlungen von Corona-Wortkreationen und von Corona-Warnsignalen. In La Chaux-de-Fonds im Schweizer Jura, haben Fotografen während des Lockdowns die stillen Strassen der Stadt fotografiert. Einer ist fotografisch weitergegangen. Es ist Ingmar Björn Nolting . 

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. März 2020 den Lockdown verkündete, sass Fotograf Nolting in Leipzig vor dem Fernseher und hörte sich die Ansprache an. Eben erst hatte er die Ausbildung zum Fotografen in Dortmund hinter sich. Unter dem Eindruck von Merkels aufrüttelnder Rede beschloss Nolting, sich an ein Fotoprojekt zu wagen, das in der Zwischenzeit in mehreren Zeitschriften gezeigt werden konnte. 9000 Kilometer fuhr er mit dem Auto kreuz und quer durch Deutschland, um die Corona-Pandemie fotografisch festzuhalten. Dass dies viel mehr ist als Fotos aus Intensivstationen, wird klar, wenn man sich seine Bilder anschaut. Sie sind nicht reisserisch, eher nüchtern, da herrscht keine Effekthascherei, vielmehr sind sie still und zeigen die vielen überraschenden Gesichter und Begleiterscheinungen der Pandemie. Zeitungen wie das Time Magazine, The Sunday Times, die Neue Zürcher Zeitung und das Magazin „Stern“ publizierten mittlerweile die Aufnahmen des 25-jährigen Fotografen.

Zweimal hat das ZEIT Magazin Einblick in seine Coronaserie gewährt, das erste Mal im Juni 2020, das zweite Mal im Februar 2021. So beeindruckend sind die Bilder, dass das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte gleich 27 seiner Fotos aus dem Projekt erworben und ausgestellt hat. Mit ihnen eröffnet das Museum sogar seine neue Fotografie-Abteilung. Da sind im ZEIT-Magazin auf einem Bild Bestatter zu sehen, die im Dezember 2020 in einem Dorf in der Nähe von Dresden Särge in einen Lieferwagen tragen. Platz für vier Särge bietet der Lieferwagen, zwei sind bereits im Laderaum, ein dritter Sarg wird gerade herangeschoben. Die Kapazität des Dresdner Krematoriums ist ausgeschöpft, die Leichen werden zur Kremation nach Sachsen-Anhalt transportiert. 

Auf einem anderen Bild, aufgenommen im August 2020, ist das Strandleben an der Ostsee zu sehen, wo die Gäste im Sand ihre Trennwände und Zelte in gebührendem Abstand zueinander hinstellen. Oder ein weiteres Bild: Hohe mobile Gitter stehen vor einem grossen Wohnkomplex in Göttingen. Zu sehen auf einer Aufnahme, die im Juni 2020 entstanden ist. Das Gebäude ist in Quarantäne gestellt worden, weil hier zahlreiche Bewohner infiziert worden sind. Und weil die Kulturinstitutionen dicht machen mussten, haben Künstler in einer Gemeinde unweit von Leipzig auf dem Dorfplatz ein Open-Art-Kunstmuseum errichtet. Auf einem anderen Bild, das in Dortmund im Museum ausgestellt ist, ist ein Organist zu sehen, der allein im Konzerthaus Berlin für eine Streaming-Veranstaltung des Senders Arte spielt. Und in einem anderen Bild hat Fotograf Nolting den ökumenischen Gottesdienst in einem Düsseldorfer Autokino am Karfreitag festgehalten. Alle Bilder Noltings sind mit Mittelformatkamera analog aufgenommen worden. Um rechtzeitig zu wissen, wie Menschen in verschiedenen Regionen mit der Pandemie umgehen, hatte Nolting mehrere Online-Abos von Lokalzeitungen abonniert. 

Die Bilder sind im ZEIT Magazin No. 8 vom 18.2.2021 erschienen. Weitere Bilder und Projekte von Ingmar Björn Nolting auf https://www.ingmarnolting.de/

Eingeworfen am 18.2.2021

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