Patrick Rohr: Fotos von der Seidenstrasse

Torsten in Schanghai machen Selfies vor der Skyline der Stadt

Autor: Michael Guggenheimer

Patrick Rohr, Schweizer Journalist und Fotograf, hat die Neue Seidenstrasse von Ost nach West befahren und er hat sie mit vielen Fotos und in einer langen Erzählung dokumentiert.

Im Jahr 1877 prägte der deutsche Geograf Ferdinand von Richthofen erstmals den Ausdruck «Seidenstrasse». Damit bezeichnete er ein weites Handels- und Fernwegnetz von Karawanenstrassen, das Ostasien über Zentralasien mit dem Mittelmeerraum und Westeuropa verband. Mit dem Begriff «Neue Seidenstrasse» wird heute ein Bündel von Projekten bezeichnet, die mit neuen Wegen zu Land und auf dem Meer Ostasien mit Europa verbinden soll. Neue lange Eisenbahnstrecken, neue Fernstrassen, neue Hafenanlagen werden für die Handelsroute erstellt. Mit immensen Investitionen fördert China das Projekt, das den Handel zwischen China und Europa befördern und beschleunigen soll. Es ist wohl kein Zufall, dass ein Bild des auf 3600 Meter über Meer gelegenen Taldyk-Passes in Kirgisistan das Cover von Patrick Rohrs Buch «Die Neue Seidenstrasse – Chinas Weg zur Weltmacht» ziert. «Es drückt für mich ein ganz wichtiges Element der neuen Seidenstrasse aus: Wie es der Mensch schafft, auch grösste Hindernisse zu überwinden, um zu seinem Ziel zu kommen – in diesem Fall, die Welt durch ein gigantisches Infrastrukturprojekt zu verbinden», sagt Fotograf Rohr.

Rohr ist in Netstal im Kanton Glarus am Fuss des mächtigen Wiggis und im Wallis in Zermatt und Brig aufgewachsen, auch da umgeben von hohen Bergen. Er erzählt: «Schon als Junge bin ich immer wieder weggezogen. Ich erinnere mich, wie ich als 13-Jähriger heimlich nach Zürich gefahren bin, raus aus den Bergen, in die – für mich damals sehr grosse – Stadt». Gerade diese Spannung zwischen der Weite der Natur, den hohen Bergen und dem dichten urbanen Leben der Grossstädte spürt man in Patrick Rohrs Fotos, die er von der «Neuen Seidenstrasse» mitgebracht hat. 

Eine «fotojournalistische Reise» nennt er sein Buch, das eine Art Reisetagebuch ist, in dem er in Text und Bildern Blicke auf Geschichte, Geographie, Politik und Wirtschaft der bereisten Länder gewährt. Im Zentrum seiner reichen Bilderernte sind Porträts von Menschen, denen er auf der Fahrt von Ost nach West begegnet ist. Gespräche mit Restaurantbesitzern, Künstlern, Unternehmern, Lehrpersonen, Politikern prägten seine Reise. Er hat Frauen und Männer interviewt und fotografiert. Landschaften von unglaublicher Weite und Schroffheit, Bilder von grossen Städten, von Fabrikationsanlagen und von einsamen Gegenden prägen den reichen Bildteil seines Buchs ebenso wie die einfühlsamen Porträts seiner Gesprächspartner. Als Gegensatz zum Coverbild vom Taldyk-Pass zeigt er eine doppelseitige Fotografie, auf der eine Menschengruppe vor der Skyline von Schanghai steht und daran ist Selfies zu schiessen. Wie gegensätzlich dazu dann das Bild einer Moschee mit ihrer von weitem sichtbaren grünen Kuppel und ihren zwei Minaretten inmitten einer menschenleeren Steppenlandschaft in der Türkei. Rohrs Bilder leben von der Spannung zwischen Tradition und Moderne, zwischen städtischen Impressionen und Landschaftsbildern. 

Befragt, wie er, der in Amsterdam und in Tokyo wohnt, auf die Idee kam, dieses weite Projekt in Angriff zu nehmen, meint er: «Zum einen bin ich schon lange fasziniert von Asien. Von diesem Kontinent geht eine Energie aus, die wir im eher behäbigen Europa nicht kennen. Asiatische Mega-Cities wie Bangkok oder Tokio ziehen mich magisch an, ich staune immer wieder aufs Neue, wie diese Moloche hervorragend funktionieren. Es war dann auch in Asien, in Tokio ganz konkret, wo ich anfing, mich intensiver mit der chinesischen «Belt and Road Initiative» auseinanderzusetzen, diesem gigantischen Infrastrukturprojekt, mit dem China die Wirtschaftswege der Welt miteinander verbinden will». 

Eine Moschee mitten in der einsamen Landschaft in der Türkei

Patrick Rohrs Reise begann in Shanghai und führte ihn von dort über Kirgisistan in die Türkei, nach Rumänien in die Ukraine und Polen. Während seiner langen Reise brach die Coronakrise aus, weshalb er seinen Weg mehrmals neu planen und anpassen musste. Gerade als er durch den Iran weiterreisen wollte, wurden die Landesgrenzen geschlossen. «Wegen der Pandemie konnte ich nicht in alle Länder, die ich bereisen wollte, fahren», berichtet Fotograf Rohr. «In Zentralasien wäre ich zum Beispiel sehr gerne noch nach Tadschikistan und Usbekistan gegangen, und eben auch Iran fehlt mir. Ich denke, dass ich das Projekt fortsetze, sobald man wieder ungehindert reisen kann, das Projekt «Neue Seidenstrasse» ist für mich mit dem Buch noch nicht abgeschlossen, ich möchte es digital weiterspinnen, Referate halten – da gibt es noch einiges zu entdecken und zu verstehen».

Patrick Rohr reist als Fotojournalist viel für Entwicklungsorganisationen wie Helvetas oder Ärzte ohne Grenzen in Krisengebiete. In den letzten Jahren hat er in Laos, Nepal, Tansania, Kenia, Äthiopien, Bangladesch, Bosnien und Serbien fotografiert. Er war Redaktionsleiter und Moderator die Politsendung Arena des Schweizer Fernsehens. Er moderierte bis zu seinem Weggang 2007 das Live-Gesellschaftsmagazin Quer. Rohr hat eine vierjährige Ausbildung zum Fotografen an der Fotoacademie in Amsterdam absolviert und ist deshalb geprägt von der niederländischen Fotografie. Ihn beeindruckt der grosse Stellenwert den die Fotografie in den Niederladen hat. Sie erhalte in Zeitungen und Zeitschriften und auch in Museen viel Raum und werde breit diskutiert.  

Grosses Bild: Menschen nehmen Selfies auf vor der Skyline von Schnghai. Kleines Bild: Moschee in der Nähe des Dorfes Sivas in der Türkei., Beide Bilder: Patrick Rohr. 

Das Buch «Die neue Seidenstrasse. Chinas Weg zur Weltmacht: Eine fotojournalistische Reise» ist im Orell Füssli Verlag, Zürich im Februar 2021 erschienen. 

Eingeworfen am 15.2.2021

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