Bildlegenden sind eine knifflige Sache. Der britische Historiker Niall Ferguson, ein regelmässiger Mitarbeiter der Zeitung, macht sich im Feuilleton der NZZ vom 12. Mai 2020 Gedanken über die Welt, die sich im Zeichen der Corona-Pandemie verändert. Dazu wählte die Redaktion eine Fotografie aus, auf der zwei Frauen und ein Kleinkind in einer grünen Umgebung zu sehen sind. Die Frauen tragen Atemmasken und führen Gartenarbeiten aus. Die Legende lautet: „Mit der Maske im Garten: Das Virus könnte unseren Alltag nachhaltig verändern“. Bilder lesen ist nicht immer einfach. Denn hier handelt es sich nicht um irgendeinen „Garten“ sondern um einen jüdischen Friedhof. Eindeutig in Israel. Rechts im Bild sind hebräische Grabinschriften zu erkennen. Der Stein ist eindeutig ein sogenannter Jerusalemstein, אבן ירושלמית. Hier pflegen zwei Frauen Gräber, vielleicht jene ihrer Eltern? Von „Garten“ eher keine Spur. Bildlegenden können eine kniflige Sache sein. Besonders dann, wenn ein Bild über eine Agentur eingekauft wird, der Fotograf nicht zum Bild befragt wird. Fotograf Oded Balilty, der das Bild genacht hat, ist ein israelischer Dokumentarfotograf. Er arbeitet für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und gewann nebst zahlreichen anderen Preisen im Jahr 2007 den Pulitzer-Preis für Breaking News-Fotografie. Balilty ist der erste und einzige israelische Fotograf der den Pullitzer Preis erhalten hat. In den Jahren 2007 und 2008 arbeitete er in Peking für die Nachrichtenagentur AP. Balilty lebt in Tel Aviv. Zu seinen zahlreichen Ausstellungen gehören u.a. auch eine in der Coalmine Gallery in Winterthur und eine weitere im Musée d’’Ethnographie de Neuchâtel. Eine Auswahl seiner hervorragenden Bilder ist hier zu sehen: http://www.odedbalilty.com/
Eingeworfen am 12.5.2020
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